Aktionsplan Insektenschutz

Die Artenvielfalt und Zahl der Insekten in Deutschland gehen dramatisch zurück. Dies hat Auswirkungen auf unser gesamtes Ökosystem, auf die Landwirtschaft genauso wie auf Gärten und Naherholungsgebiete.

Insekten sind schützenswert. Insbesondere, weil sie elementare Ökosystemdienstleistungen erbringen. Viele Insektenarten sorgen zum Beispiel für die Bestäubung von Pflanzen, für den Abbau organischer Masse, für die biologische Kontrolle von Schadorganismen, die Reinigung von Gewässern oder den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit. Zudem sind Insekten auch Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl anderer Tiere.

Der vom Bundeskabinett verabschiedete Aktionsplan Insektenschutz (API) soll dem Insektensterben entgegenwirken. Das Kernstück des Aktionsplans Insektenschutz ist der Entwurf für ein Insektenschutzgesetz, der am 21. Februar 2021 unter der Federführung des SPD-geführten Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) beschlossen wurde. Ebenso wurden mit der Novellierung der Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung unter Federführung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auch Regelungen zum Verbot oder der Einschränkung von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten verabschiedet.

Die Ausgangslage zum API stellen zahlreiche wissenschaftliche Studien dar, die klar belegen, dass die Artenvielfalt bei den Insekten sowohl regional als auch international zurückgeht. Neben dem Rückgang einzelner Insektengruppen ist die Abnahme der Insekten-Biomasse insgesamt nachgewiesen. Die Hauptursachen sind der Verlust der Strukturvielfalt und die qualitative Verschlechterung der Lebensräume der Insekten. Weiterhin stellen die intensive Anwendung von Bioziden und Pflanzenschutzmitteln, die Lichtverschmutzung und der Eintrag von Schadstoffen in die Böden und Gewässer eine Bedrohung für die Insektenpopulation dar.

Die übergeordnete Zielsetzung des vom BMU vorgelegten Insektenschutzgesetzes ist es, Biotope auszuweiten, die Biozidanwendung in Schutzgebieten einzuschränken, den Insektenschutz fest in der Landschaftsplanung zu verankern, Lichtverschmutzung und Insektenfallen einzuschränken und temporäre Naturschutzmaßnahmen zu stärken.

Mit dem API gibt es somit erstmals Regelungen gegen Lichtverschmutzung, wie die Untersagung der Neuaufstellung bestimmter Beleuchtungsanlagen in Schutzgebieten. Dies ist eine dringend notwendige Einschränkung, da die intensive Lichtverschmutzung insbesondere für nachtaktive Insekten eine Gefahr darstellt. Durch die Stärkung temporärer Naturschutzmaßnahmen werden Anreize geschaffen, auch zeitlich begrenzte, saisonabhängige Lebensräume für Insekten zu schaffen. Eine Verankerung des Insektenschutzes in der Landschaftsplanung wird unter anderem dadurch erreicht, dass konkrete Anwendungsbeispiele von Grünordnungsplänen aufgezählt werden. Das Insektenschutzgesetz stellt darüber hinaus die rechtliche Grundlage, um zusätzliche, für Insekten besonders wichtige, Lebensräume unter Schutz zu stellen, ohne dafür eine eigene Schutzgebietsausweisung zu benötigen. Der gesetzliche Biotopschutz des § 30 Bundesnaturschutzgesetz wird ausgeweitet, so etwa auf „artenreiches Grünland“, „Streuobstwiesen“, „Steinriegel“ und „Trockenmauern“. Diese Biotope sind wichtige Lebensräume der Insekten, die von Landwirten und Landwirtinnen als Kulturlandschaft geschaffen wurden und bewahrt werden müssen. Der gesetzliche Schutz stellt nun sicher, dass derartige Biotope nicht zerstört oder erheblich beschädigt werden. Die Maßnahmen, die zum Erhalt, der Pflege und insektenfreundlichen Bewirtschaftung dieser Flächen erforderlich sind, bleiben natürlich weiterhin möglich und können sogar finanziell gefördert werden.

Nach der Verordnung des BMEL werden in nationalen Schutzgebieten Herbizide sowie bienen- und bestäubergefährliche Insektizide verboten. Weiterhin wird ein Mindestabstand von 10 Metern bzw. 5 Metern bei dauerhafter Begrünung zu Gewässern bei der Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel vorgeschrieben. Dem zu vernehmende Einwand, ein erweiterter Gewässerabstand sei nicht fundiert, ist entgegenzustellen, dass die ökologische Landwirtschaft grundsätzlich ohne chemische Pflanzenschutzmittel auskommt. Dies ist in der EU-Öko-Verordnung geregelt. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich ein ökologischer Ackerbau nachweislich positiv auf die Arten- und Individuenanzahl von Insekten auswirkt. Weiterhin muss klar herausgestellt werden, dass die Verminderung von Nähr- und Schadstoffeinträgen in Böden, Gewässer und in Folge auch das Grundwasser nachweislich positive Effekte auf die Wasserqualität haben. Von einer verbesserten Gewässerstruktur und –dynamik profitiert nicht nur die Insektenwelt, sondern auch Mensch und Natur im Allgemeinen.

Um Pflanzen vor Schädlingen oder Beikräutern zu schützen, werden in der ökologischen Landwirtschaft vorrangig vorbeugende Maßnahmen angewandt. So werden unter anderem thermische oder mechanische Methoden zum Pflanzenschutz eingesetzt, besonders hochwertige Sorten gepflanzt oder einer Ausbreitung von Schädlingen durch geringere Pflanzdichten vorgebeugt. Durch die gezielte Anpassung der Fruchtfolgengestaltung wird die Ausbreitung von Beikräutern in Teilen der ökologischen Landwirtschaft ebenso reguliert. Diese Beispiele zeigen, dass die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel für einen wirtschaftlich erfolgreichen Ackerbau nicht zwingend notwendig sein müssen.

Auf den Vorhalt, dass mit den Maßnahmen massive Flächenverluste drohen, ist weiterhin zu erwidern, dass von der Abstandsregelung Gewässer von untergeordneter wasserwirtschaftlicher Bedeutung ausgenommen sind. Das bedeutet, dass kleine Straßen-, Be- oder Entwässerungsgräben nicht von der Regelung betroffen sind. Überdies gilt die Abstandsregelung ausschließlich für Agrarflächen in FFH-Gebieten. Insbesondere in gewässerreichen Niederungsgebieten, die 25% der Landesfläche in Schleswig-Holstein ausmachen, können die Gewässerabstände landesseitig nochmals individuell angepasst respektive verringert werden. Aktuell gilt in Schleswig-Holstein ein Mindestabstand zu Gewässern bei der Schutzmittelanwendung von einem Meter. Weitergehende Regelungen sind abhängig von der Art des anliegenden Gewässers, der Ausbringungstechnik, der Hangneigung, der Drainage und den Inhaltsstoffen der jeweiligen Mittel. Aktuell ergeben sich so landesseitig vorgeschriebene Gewässerabstände von bis zu 20m mit bewachsenem Schutzstreifen. Die zuständigen Landesbehörden können weiterhin wirtschaftlich begründete Ausnahmen von diesen Verboten erteilen, um gegebenenfalls schwerwiegende ökonomische Schäden abzuwenden.

Das im Verordnungsentwurf vorgesehene Verbot von Herbiziden und bestäubergefährdenden Insektiziden soll in nationalen Schutzgebieten (Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und gesetzlich geschützten Biotopen) gelten. In den europäischen Schutzgebieten, den FFH-Gebieten, gibt es Ausnahmen für Sonderkulturen etwa für Gartenbau, Obst- und Weinbau, Saatgut- oder Pflanzgutvermehrung. Diese Ausnahmen gelten in FFH-Gebieten, die nicht gleichzeitig auch als Naturschutzgebiet oder Nationalpark ausgewiesen sind. Vom Verbot betroffen sind somit zunächst 4,9% der in Deutschland landwirtschaftlich genutzten Flächen. Hiervon sind ein Großteil der Flächen Grünland, auf welchem ohnehin kaum Pflanzenschutzmittel zur Anwendung kommen. Daraus folgt aber auch, dass die nun zu beschließenden Maßnahmen einen Großteil der Flächen nicht betreffen und somit auch für diese Flächen entsprechende Insektenschutzfunktionen nicht greifen können, was ich kritisch sehe. Mit der Novellierung der Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung geht zudem keine Anwendungseinschränkung von Fungiziden einher, wie von einigen Landwirt*innen aus wirtschaftlichen Gründen befürchtet wird.

Ein großer Erfolg, für den die SPD lange gearbeitet hat und der von sozialdemokratischer Seite in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, ist der vollständige Glyphosatausstieg, der nun zum 31.12.2023 erfolgen soll. Durch die Verordnung wird ab sofort der Einsatz von Glyphosat in vielen Bereichen stark eingeschränkt. Neben der Anwendungsbeschränkung in der Landwirtschaft gilt dann ein Anwendungsverbot im Haus- und Kleingartenbereich sowie auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind und in einer Vielzahl von naturschutz- oder wasserrechtlich geschützten Gebieten.

Die Neuregelungen resultieren aus einem langen und tiefgehenden Austausch, an dem Landwirt*innen genauso beteiligt waren, wie Vertreter*innen aus Politik und Naturschutzverbänden. Mit den Verordnungen ist es gelungen, kooperative Ansätze zu stärken, Landwirt*innen für den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel zu belohnen. Diesen Ansatz gilt es weiter zu stärken, solange der – internationale – Markt Umweltdumping leider nach wie vor begünstigt. Politik und Recht müssen dafür sorgen, dass ökologisch-soziale Landwirtschaft belohnt wird, sodass eine umfassende Umstellung auf nachhaltige Bewirtschaftung erfolgt.

Mit den vom Bundeskabinett beschlossenen Vorlagen werden einerseits die im Aktionsprogramm Insektenschutz beschlossenen Maßnahmen bundesweit umgesetzt, andererseits aber auch Landesregelungen möglich bleiben. Mit der im Gesetz verankerten Länderöffnungsklausel wird den Ländern ermöglicht, bereits bestehende und gut funktionierende Regelungen weiter umzusetzen. Sie ermöglicht aber dennoch eine Novellierung, wenn diese gewünscht ist. So bleibt der in einigen Ländern schon vorhandene und bei allen Akteur*innen anerkannte kooperative Ansatz weiter möglich und behält Vorrang vor dem Ordnungsrecht.

Durch verschiedene Ausnahmeregelungen werden Landwirt*innen finanziell unterstützt. Im Sonderrahmenplan Insektenschutz stellt der Bund derzeit 85 Mio. Euro jährlich zur Unterstützung der Landwirtschaft zur Verfügung. Weiterhin entfällt die bisherige Obergrenze zur Förderung des sogenannten „Natura 2000-Ausgleichs“, damit die bestehenden Fördermöglichkeiten zukünftig noch besser genutzt werden können. Die SPD setzt sich klar dafür ein, dass Landwirt*innen auskömmlich arbeiten können. Hierfür muss aber jedwedes Umwelt-, Sozial- und Gesundheits-Dumping unterbunden werden.

Hier setzt auch der im Oktober 2020 auf dem Parteitag der SPD im Kreis Herzogtum Lauenburg beschlossene Antrag an, die Zwei-Klassen-Ernährung zu beenden, indem Bio- und Fairtrade-Lebensmittel zum Ernährungs-Standard werden müssen. Kriterien der Ökologischen Landwirtschaft stehen damit nicht nur für mehr Tierwohl und weniger Umweltbeeinträchtigungen, sondern auch für mehr soziale Verantwortung schon zu Beginn der Lieferkette. Eine entsprechende Zielvorgabe hatte ich kürzlich zudem für den SPD-Kreisverband im Landesparteirat im Rahmen der landespolitischen Programm-Positionierung erwirkt.

 

Nina Scheer